Sabine Hermann – „Plattdeutscher Pop“
Mutige Melange
Debütalbum „Sangen“ von Sabine Hermann vereint plattdeutsche
Poesie mit Indie-Pop
Wenn Poesie Plattdeutsch trifft und auf dem Weg Indie-Pop mitnimmt, steht am Ziel eine
mutige Melange. Mit dem im September 2021 erschienenen Album „Sangen“ gelingt der
Songschreiberin, Pianistin und Sängerin Sabine Hermann eine ungewöhnliche Hommage an
die Sprache ihrer Vorfahren. Ungewöhnlich, weil die Musikerin mit ostfriesischen Wurzeln ihre
Texte geschickt von elektronisch geprägtem Pop ä la London Grammar oder Massive Attack
umspielt und damit auch einem sprachunkundigen und jungen Publikum den Zugang zum
Niederdeutschen eröffnet.
Mitverantwortlich für dieses spannende Debüt ist ein experimentierfreudiges Team, das die
Musikerin an Bord geholt hat: der Produzent Gregor Hennig, der Gitarrist Valentin Hebel und
der Schlagwerker und Bassist Hauke Krone. Gemeinsam schufen sie eine magische
Klangwelt aus Piano, Gitarren, Bass, Schlagwerke, Synthesizer, Drumbeats, Maurerkellen,
Glasorgeln, Balafon, Balalaika, Mandoline, Spinett und vielem mehr. In Verbindung mit ihrer
klaren und warmen Stimme ließen sie eine Atmosphäre von tiefsinniger Leichtigkeit und
transparenter Dichte entstehen.
Das Erstlingswerk der in Hude lebenden Musikerin dokumentiert eine Selbsterkundung zurück
zu familiären und sprachlichen Ursprüngen. Darauf verweist auch der Albumtitel: „Sangen“ ist
nicht nur das plattdeutsche Wort für Gesänge, sondern auch Sabine Hermanns Familienname
mütterlicherseits. „Ich trage die plattdeutsche Sprache in mir, habe sie nur nie gesprochen“,
sagt die Musikerin. „Als ich vor vielen Jahren anfing, eigene Lieder zu schreiben, entdeckte ich
recht bald, dass ich mir meine eigentliche Muttersprache über das Verfassen von poetischen
Texten zurückerobern kann. Dadurch entwickelte sich eine starke Verbundenheit mit meinen
ostfriesischen Wurzeln.“
Aus der Vergangenheit schöpfen und damit den Weg in die Zukunft gestalten – das prägt die
Welt von „Sangen“. Insofern überrascht es kaum, dass neben Eigenkompositionen auch die
Vertonung eines mittelalterlichen Textes von Walther von der Vogelweide („Uns hat der Winter
geschät“) und eine Volkslied-Interpretation („Dat du mien Leevsten büst“) Platz finden. In ihren
Eigenkompositionen geht es um die Leichtigkeit des Seins („Waarhen de Wind di weiht“,
„Flinnerkes“, „Danz“), um die Liebe („De Leevde“, „Engel“) und die Freiheit („Freesk un freei“).
Und auch der Himmel spielt eine Rolle. Denn durch den Film „Wie im Himmel“ wurde Sabine
Hermann zum Schreiben eigener Songs inspiriert. „Gabriellas Säng“, den bekanntesten
Musiktitel des Films, hat sie folgerichtig in die plattdeutsche Sprache übersetzt und auf dem
Album verankert. Mit „Mama“ setzt sie der Rolle der Mütter musikalisch ein Denkmal.
Dass die Gesamtrechnung aufgeht, zeigen inzwischen Rezeptionen in Form von Sendungen
im NDR oder gar vom bekannten Rheinländer Popsänger Purple Schulz. Er spielte das Album
bereits mehrfach in seiner Sendung „Songpoeten“, bescheinigt ihm eine „schöne Mischung
aus Intensität und Leichtigkeit, aus Energie und Melancholie“ und beschreibt, dass die Musik
„etwas (…) Erdiges, Naturverbundes, aber auch etwas sehr Zauberhaftes“ habe und
„erstaunlicherweise mehr nach norwegischen Fjorden als nach friesischem Wattenmeer“
klinge.